242. Kiezspaziergang: Charlottenburger Industriegeschichte - Vom Heizkraftwerk zu KPM

242. Kiezspaziergang - Arne Herz

Bezirksstadtrat Arne Herz

Herzlich willkommen zum 242. Kiezspaziergang. Mein Name ist Arne Herz und ich bin Bezirksstadtrat für Bürgerdienste und Soziales.
Unser Kiezspaziergang führt uns heute durch einen Teil der Charlottenburger Industriegeschichte. Seit mehr als 250 Jahren ist Berlin Industrie- und Forschungsstandort. Unternehmen wie KPM und Siemens produzieren noch immer in der deutschen Hauptstadt. Alteingesessene Forschungseinrichtungen wie die Berliner Hochschulen und Institute betreiben hier Spitzen-Forschung. Orte der Industriekultur verbinden Geschichte und Gegenwart Berlins.

242. Kiezspaziergang Heizkraftwerk Charlottenburg

Heizkraftwerk Charlottenburg

Station 1: Kraftwerk Charlottenburg

Wir stehen hier gegenüber des Kraftwerks Charlottenburg, das 1899-1900 gebaut wurde. Die Architekten waren Hans Winterstein, Wilhelm Dohme, Alfred Schönburg, Willy Rethge, Walter Henn. Der heutige Eigentümer ist die Vattenfall Wärme Berlin AG.
Dieses einzigartige Kraftwerkensemble wurde seit seinem Bestehen mehrfach erweitert. Jeder Bauabschnitt repräsentiert eine andere Epoche der Elektrifizierung und der Industriearchitektur in Berlin. Als das Kraftwerk 1900 in Betrieb ging, war es eines der ersten Drehstrom-Kraftwerke des Landes. Ab 1912 produzierte es als erstes Kraftwerk der Stadt Fernwärme und 1925/26 erfolgte der Ausbau zum ersten deutschen Hochdruck-Kraftwerk. Das heutige Erscheinungsbild wird von einem fensterlosen Kubus dominiert, in dem eine Anlage für die Ausfilterung von Schwefel und Stickstoff im Rauchgas untergebracht ist.

Ende des 19. Jahrhunderts war Charlottenburg eine eigenständige, stetig wachsende und wohlhabende Stadt. Mit dem benachbarten Berlin konkurrierte man um potenzielle Zuzügler. Um bei der Elektrifizierung der Stadt unabhängig von der Stromversorgung Berlins zu bleiben, beschlossen Magistrat und Stadtverordnete 1898, ein eigenes kommunales Drehstrom-Kraftwerk errichten zu lassen. Der Auftrag ging an die Frankfurter Elektrizitäts-AG, vormals Wilhelm Lahmeyer & Co., die das Kraftwerk in den ersten zehn Jahren als private Pächterin betrieb; eine damals gängige Praxis. Herzstück dieser ersten Bauphase waren zwei senkrecht zur Spree gestellte Hallenbauten, von denen heute nur noch das Verwaltungsgebäude, die Maschinenhalle und das angrenzende Wohnhaus für den Betriebsdirektor und den Maschinenmeister erhalten sind. Die im Stil der märkischen Backsteingotik errichteten Bauten zählen zu den herausragenden Zeugnissen der Berliner Industriearchitektur. Das Gemeindekraftwerk ging im Sommer 1900 mit einer Leistung von 1500 Kilowatt in Betrieb. Zunächst versorgte es vor allem Privathaushalte im Charlottenburger Osten mit Lichtstrom. Einige Jahre später begann die Elektrifizierung der ortsansässigen Handwerks- und Industriebetriebe.

Nach der Gründung von Groß-Berlin wurde das Werk 1922 von der BEWAG übernommen und bis zum Ende des Jahrzehnts schrittweise modernisiert und ausgebaut. Aus jener Zeit stammen ein nach Plänen des Architekten Alfred Schönburg errichtetes 30-Kilovolt-Schalthaus im Stil der Neuen Sachlichkeit und eine Ruths-Dampfspeicheranlage. 16 freistehende Zylinder speicherten Wasserdampf, der dazu diente, die morgens und abends auftretenden Bedarfsspitzen in der Stromnachfrage abzudecken. Mit dem Ausbau betrug die installierte Leistung der gesamten Anlage nun 100 Megawatt.

Im Zweiten Weltkrieg wurde das Kraftwerk nur geringfügig zerstört, nach Kriegsende jedoch teilweise demontiert. 1955 entstand an der Stelle des alten Kesselhauses ein mit Klinker und Sandsteinplatten verkleideter Stahl-betonskelettbau. 20 Jahre später wurde zur Sicherung der West-Berliner Stromversorgung bei Lastspitzen eine neue, mit Heizöl betriebene Gasturbinenanlage errichtet, die noch heute – mit Erdgas gefeuert -in Betrieb ist. Der auffällige orangefarbene Kubus wird von drei jeweils 80 Meter hohen Schornsteinen beherrscht. In der letzten Modernisierungsphase ab Ende der
1980er-Jahre trug die BEWAG den veränderten Anforderungen des Umweltschutzes Rechnung und erweiterte das Kraftwerk um eine Rauchgasentschwefelungs- und eine Entstickungsanlage. 1995 wurde die Ruths-Speicheranlage außer Betrieb genommen, 2001 ging der letzte kohlebefeuerte Dampfblock vom Netz. Die stillgelegten Gebäudeteile sollen nach und nach als Gewerbeflächen um genutzt werden, nachdem die Pläne des Deutschen Werksbunds gescheitert sind, neben dem alten Kraftwerk eine „Werkbundstadt” mit mehr als 1000 Mietwohnungen zu errichten.

Siemenssteg_2022

Siemenssteg

1.1 Siemenssteg

Die Brücke die Sie hier sehen, ist der Siemenssteg.
Er wurde im Zusammenhang mit dem Bau des Kraftwerks Charlottenburg als Metallkonstruktion mit Sandsteinrahmungen errichtet und am 1. August 1900 gemeinsam mit dem Kraftwerk eröffnet. 1902 erhielt der Fußsteg seinen Namen nach dem Fabrikanten Werner von Siemens, der unweit seinen Wohnsitz hatte.
Er diente als Verbindung vom Industriestandort zum alten Lützow. Er ist 77 Meter lang und 3,5 Meter breit. Er zählt heute zu den gut erhaltenen historischen Fußgängerbrücken über die Spree.

Wir laufen jetzt am Iburger Ufer ein Stück weiter und treffen uns hinter der Röntgenbrücke am Piraten-Spielplatz an den Bänken.

242. Kiezspaziergang ehem müllverladestation Helmholtzstrasse

ehem Müllverladestation Helmholtzstrasse

Station 2: Ehem. Müllverladestation Helmholtzstraße

Wir blicken nun über das Wasser auf die andere Seite: Die ehemalige Müllverladestation in Charlottenburg liegt am Zusammenfluss von Spree und Landwehrkanal. Einem Lastkahn gleich, schob sie sich aufs Wasser hinaus und schafft mit ihrer Wasserseite einen markanten städtebaulichen Akzent. Ihre architektonische Gestalt leitet sich direkt aus ihrer Funktion ab: den mit Pferdefuhrwerken ankommenden Müll auf Boote umzuladen. Diesen Vorgang hat der Architekt Paul Baumgarten nicht nur perfekt organisiert, sondern eindrucksvoll inszeniert. Als erste Einrichtung dieser Art mechanisch und hygienisch innovativ angelegt, dokumentiert die Anlage die Leistungsfähigkeit der Großstadtmüllentsorgung in den 1930er-Jahren. Der Bau besteht aus zwei Hauptgeschossen: der oberen Verladehalle und der unteren Wasserhalle. Über eine flach ansteigende Rampe erreichten die Pferdefuhrwerke die obere Halle und entluden dort ihre Fracht über Schütt-Trichter nach unten, direkt in einen in der unteren Halle im Wasser liegenden Lastkahn. Da der Hausmüll damals zum größten Teil aus Asche und Schlacke bestand, musste der während des Entladens entstehende Staub abgesaugt werden. Danach fuhren die Wagen vorwärts aus der oberen Halle hinaus und über die weit ausladende, halbrunde Wendeplattform zurück zur Straße. Von dem der oberen Verladehalle aus wurden die Tore bewegt, die Entstaubungsanlage gesteuert und die Pferdefuhrwerke beaufsichtigt. Etwa ein Viertel des gesamten Berliner Hausmülls wurde auf diese Weise in den stadtfernen Golmer Luch transportiert und diente dort dazu, die sumpfigen Flussniederungen urbar zu machen – ein Verfahren, das damals als wirtschaftlich und nützlich galt.

Paul Baumgarten (1900-1984) leitete von 1934 bis 1937 die Bauabteilung der damaligen Städtischen Müllbeseitigungsanstalt. In dieser Funktion baute er unter anderem die Müllverladestation, die als eines der überzeugenden Beispiele des Neuen Bauens während der NS-Zeit gilt.
Das Stahlbetonskelett der oberen Halle ist bis zur halben Höhe mit Klinkern ausgefacht. Ein darüber umlaufendes Band mit schmalen, stehenden Fenstern reicht bis zum Dachansatz und belichtet das Halleninnere. Der Bau überzeugt durch die gelungene Verbindung technischer Notwendigkeiten mit einer eigenwilligen künstlerischen Gestaltung.

Die politische Teilung Berlins nach 1945 stellte West-Berlin mit seiner Insellage vor große Probleme, auch hinsichtlich der Abfallentsorgung. Die 1951 in den Westsektoren gegründeten Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR) mussten die Mülldeponien im Umland aufgeben und Abladeplätze im Stadtgebiet suchen. Daher verlor 1953 die unvermindert funktionstüchtige Müllverladestation ihre ursprüngliche Aufgabe und diente unter anderem als Parkhaus für Straßenreinigungsfahrzeuge der BSR.
Mitte der 1980er-Jahre mietete der Architekt Josef Paul Kleihues (1933-2004) das Gebäude und baute es mit seinen Kollegen zu einem Architekturbüro um. Dabei war Rücksicht auf vorhandene Grundrisse und Raumstrukturen zu nehmen, aber die Architekten begriffen das klugerweise als Herausforderung und folgten mit den notwendigen Funktionen ihres Ateliers der vorgefundenen Form. Die obere Verladehalle wird heute als Großraumatelier genutzt. Im Querriegel ist ein Besprechungsraum eingerichtet, die Entstaubungsanlage wurde als technisches Denkmal erhalten. Im Wassergeschoss kann ein Boot untergebracht werden, und in den Nebenräumen des Wassergeschosses befinden sich Modellwerkstatt, Küche und Archiv. Der Werkstattcharakter, den man gemeinhin mit einem Architekturbüro verbindet, zeigt sich in dieser Umnutzung funktional und atmosphärisch auf die schönste Art.

Wir laufen nun weiter am Einsteinufer entlang und treffen uns an der Marchbrücke.

242. Kiezspaziergang Heinrich-Hertz-Institut

Heinrich-Hertz-Institut

Station 3: Heinrich-Hertz-Institut für Schwingungsforschung (Hochhaus)

Wir stehen hier am Heinrich-Hertz-Institut. Aus dem 1928 von mehreren Institutionen, unter anderem der Deutschen Reichspost sowie der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft, gegründeten Heinrich-Hertz-Institut für Schwingungsforschung stammen bedeutende Erfindungen für die Telefonübertragungstechnik und den sich damals stürmisch entwickelnden Rundfunk. Unter der nationalsozialistischen Herrschaft verloren eine Reihe von Mitarbeitenden aus politischen und rassistischen Gründen ihre Stellung. Auch der Name von Heinrich Hertz verschwand aus der Institutsbezeichnung.

Heinrich Hertz (1857-1894) war ein deutscher Physiker. Er konnte 1886 als erster elektromagnetische Wellen im Experiment erzeugen und nachweisen und gilt damit als deren Entdecker. Ihm zu Ehren wurde die internationale Einheit für die Frequenz als Hertz bezeichnet.

Unter Leitung von Gustav Leithäuser erfolgte noch 1945 jedoch die Neugründung unter dem alten Namen Heinrich-Hertz-Institut. Nach der vollständigen Zerstörung des alten Institutsgebäudes in der Charlottenburger Franklinstraße und provisorischer Bleibe in der Jebensstraße erhielt das Institut mit dem 1964/68 errichteten Neubau am Einsteinufer einen neuen Sitz. Ein Merkmal des 14-geschossigen Stahlbetonskelettbaus ist die Radom-Kuppel (Antennenkuppel) auf dem Dach. Seit 2003 gehört das Institut zur Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e. V.

Wir gehen nun über die Marchbrücke und treffen uns vor dem Nivea-Haus.

242. Kiezspaziergang Nivea Franklinstr

Nivea Franklinstraße

Station 4: Kosmetische Fabrik Alfred Heyn/Altes Nivea Haus (Franklinstraße 1)

Hier an der Gebäudeseite prangt das weltbekannte Logo. Dunkelblau, kreisrund und in der Mitte der Schriftzug: NIVEA. Was hier heute noch produziert wird, welche Probleme so eine Produktionsstätte in der Innenstadt mit sich bringt, erzählt uns jetzt Geschäftsführer Kenneth Melcher.

Wir laufen jetzt weiter bis zur Hausnummer 27.

242. Kiezspaziergang Siemens Franklinstr

Siemens Franklinstraße

Station 5.1: Siemens am Salzufer (Franklinstraße 27/roter Backstein)

1847 in Kreuzberg gegründet, expandiert die Siemens & Halske AG Anfang der 1880er-Jahre im Rahmen der ersten Randwanderung der Berliner Industrie nach Charlottenburg. Am Salzufer und an der damals neu angelegten Franklinstraße konzentrierte der Elektrokonzern seine starkstromtechnische Produktion. An der Helmholtzstraße entstand ab 1898 ein ausgedehnter Fabrikkomplex für die Herstellung von Glühlampen. Die aus jener Zeit erhaltenen Bauten stehen heute unter Denkmalschutz und liegen auf dem sogenannten Charlottenburger Campus, einem der elf Zukunftsorte Berlins.

Das fünfgeschossige Gebäude hier an der Franklinstraße 27 ist der letzte Überrest des einstigen Charlottenburger Werkes. Der repräsentative Bau entstand zwischen 1896 und 1898 nach Entwürfen des Siemens-Betriebsingenieurs Martin de la Sauce. Er beherbergte die Verwaltung einer Fabrik, in der vor dem Ersten Weltkrieg rund 3000 Menschen beschäftigt waren. Aus Platzgründen wurde die Starkstromfertigung bald nach Siemensstadt verlagert. Als Konsequenz fertigte das Charlottenburger Werk bereits ab 1912 vor allem Schalt- und Steuergeräte bzw. -anlagen.
Das endgültige Aus kam 1929 nach Inbetriebnahme des neu errichteten Schaltwerk-Hochhauses. Im Folgejahr verkaufte Siemens das Gelände an den preußischen Staat, der die ehemaligen Fabrikgebäude der Technischen Hochschule (heute: Technische Universität) zur Verfügung stellte. Das Haus Franklinstraße 27a ging nach dem Zweiten Weltkrieg in den Besitz der Stadt Berlin über. die hier vorübergehend Ausgebombte unterbrachte. In dieser Tradition wird das Gebäude seit 1986 als Notunterkunft genutzt.

242. Kiezspaziergang Gebauer Höfe Franklinstr

Gebauer Höfe Franklinstraße

Station 5.2: Gebauer Höfe (Franklinstraße 11)

Wenn man nun weiter die Franklinstraße runterguckt, sieht man dort auf der rechten Seite ein Bürogebäude. Dort befinden sich die Gebauer Höfe. Da es heute etwas zu weit wäre, dorthin zu laufen, erzähle ich Ihnen von hier etwas darüber.
Friedrich Gebauer entwickelte im ausgehenden 19. Jahrhundert die kleine Brauerei seiner Schwiegermutter zu einem weltweit agierenden Unternehmen. Neben der Weiterverarbeitung von Textilien baute die Firma erfolgreich verschiedene Spezialmaschinen für die Textilindustrie.

Im Jahr 1862 übernahm Friedrich Gebauer die Textilfirma “Dampffärberei und Cattunfabrik G. H. Bretsch Wwe.” in der damals noch eigenständigen Großstadt Charlottenburg. Zu dieser Zeit blickte das Unternehmen bereits auf eine fast 30-jährige Firmengeschichte zurück. Begonnen hatte der Betrieb als kleine Natur- und Rasenbleicherei des Unternehmers G. H. Bretsch in der Nähe von Bocksfelde bei Spandau, der die florierenden Kattundruckereien Berlins mit gebleichten Stoffen versorgte. 1839 verlegte Bretsch seine Firma nach Charlottenburg, wo er die erste chemische Bleicherei in Deutschland gründete. Die von Gebauer übernommenen Fabrikanlagen waren zunächst gut überschaubar: Ein zweigeschossiges Wohnhaus, ein hölzerner Trockenturm sowie einige Fachwerkhäuser bildeten die Grundlage für den Komplex, der heute rund 20.000 Quadratmeter Grundfläche umfasst. Unter der neuen Bezeichnung, Bleicherei, Färberei und Appreturanstalt Fr. Gebauer” reorganisierte und vergrößerte Gebauer das Unternehmen. So entstanden in den nächsten Jahrzehnten in mehreren Bauphasen zahlreiche Gebäude für die verschiedenen Arbeitsschritte der Bleicherei, Färberei und Veredelung von Textilien, auch Appretur genannt. Eines der ältesten Gebäude ist die 1865 errichtete Kalanderanlage, in der Stoffe verdichtet und geglättet wurden.

Die Erweiterung seines Betriebs um die verschiedenen Verarbeitungszweige der Textilindustrie reichte dem unternehmerischen Eifer Friedrich Gebauers nicht.
So wurde seine Firma die erste in Deutschland, die ihre praktischen Erfahrungen in der Textilwirtschaft dazu nutzte, gebräuchliche Maschinen zu verbessern und neue zu entwickeln. Um die Belieferung des Berliner Standorts mit Rohstoffen und Maschinenteilen zu erleichtern, kaufte Gebauer 1880 die Barbarahütte bei Neurode in Schlesien und gründete dort eine Eisengießerei und eine Maschinenbauanstalt.
Nach einer zehnjährigen Phase als Aktiengesellschaft ging die Firma 1882 zurück in Familienbesitz, da Gebauer seine Söhne Julius, Fritz und Oskar als Teilhaber aufnehmen wollte. Das Familienunternehmen entwickelte zahlreiche Patente, darunter auch das erste elektrische Bleichverfahren. Die neuen Maschinen fanden großen Anklang in der Textilbranche und verschafften dem Unternehmen weltweite Bekanntheit.
Die Produktionsanlagen in der Franklinstraße reichten für das wachsende Geschäft nicht mehr aus und so wurde ein zweiter Standort mit Maschinenfabrik und Eisengießerei am Bahnhof Beusselstraße bezogen. Um 1910 erreichte die Firma ihren wirtschaftlichen Höhepunkt mit fast 2000 Beschäftigten und zahlreichen Niederlassungen weltweit.
Untergang und Neubeginn. Bis zum Zweiten Weltkrieg produzierte Gebauer weiterhin verschiedene Maschinen für die Textilindustrie.
Infolge starker Kriegsbeschädigungen stellte das Unternehmen den Betrieb ein. Nach einer behelfsmäßigen Renovierung wurden die Gebäude an verschiedene Firmen vermietet. Seit den 1990er-Jahren entwickelt die Gewerbesiedlungs-Gesellschaft mbH (GSG Berlin) das weitläufige, zumeist denkmalgeschützte Gelände zu einem Gewerbehof mit Geschäftsräumen, Büros und Werkstätten.

Einzelne Gebäude des historischen Areals stehen nicht unter Denkmalschutz. So wurde unter anderem eine ehemalige Lagerhalle aus den 1980er-Jahren zum Bürohaus „The Brig” umgebaut. Aktuell entsteht direkt an der Spree der Neubau F10, dessen Fassade in Form eines Parallelogramms ab dem dritten Stockwerk über die Uferlinie der Spree hinausragt. Trotz der Neubauten legt der Entwickler Wert darauf, den historischen Charakter des Denkmalensembles zu erhalten. Durch den gepflasterten Boden der Höfe zieht sich ein eingelassenes Messingband, dessen Inschriften auf die Geschichte des Areals verweisen.

Wir laufen jetzt zurück zum Einsteinufer und dort entlang bis zum Charlottenburger Tor und gehen in den Garten der TU.

Charlottenburg Tor

Station 6: Charlottenburger Tor

1857 baute August Stüler an der vormaligen Charlottenburger Chaussee, im Bereich der Charlottenburger Brücke über den Landwehrkanal ein Steuereinnahmehäuschen.
Es wurde 1907 abgerissen.
Daraufhin errichtete Bernhard Schaede 1907-08 das Charlottenburger Tor als Stadteingang und Pendant zum Brandenburger Tor. An der Ostseite der Brücke entstand eine Kolonnaden-artige Toranlage mit überlebensgroßen Bronzestandbildern des Stadtgründers Friedrich I., mit Zepter und Hermelin sowie Sophie Charlottes, mit dem Modell des Charlottenburger Schlosses von Heinrich Baucke auf der dem Tiergarten zugewandten Seite (1909). Außerdem trug die Mauer allegorische Bronzeskulpturen von Georg Wrba auf den Pfeilern.
Die Westseite der Brücke zierten zwei große Kandelaber.
1937 wurden die beiden Flügel des Tores im Zuge des Ausbaus der Ost-West-Verbindung zur nationalsozialistischen Via Triumphalis von ursprünglich 20 Meter auf 34 Meter weiter auseinandergerückt.

Im Zweiten Weltkrieg wurden die Kandelaber und Teile der Torflügel zerstört.
Von Ende 2004 bis zum Frühjahr 2007 wurde das Tor durch die Stiftung Denkmalschutz Berlin aufwändig saniert und restauriert, finanziert durch die Firma Samsung, die an der Rüstung mit Megapostern für sich warb.

In der Brücke, die beide Torflügel verband, war die Baustelleneinrichtung untergebracht. Im Februar 2007 wurde die Sanierung abgeschlossen. Anfang 2007 übergab das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf das Charlottenburger Tor bis 2021 zur kostenlosen Nutzung an die Stiftung Denkmalschutz Berlin.

Anschließend wurde das steinerne Brückengeländer saniert. Und die beiden 20 Meter hohen Kandelaber auf der anderen Seite der Charlottenburger Brücke mit den jeweils acht Bogenlampen, wurden wiederhergestellt und am 27. Juni 2010 feierlich der Öffentlichkeit übergeben. Die von Albert Speer entworfenen Leuchten wurden entfernt. Auch diese Folgebaumaßnahme wurde durch Werbung mit Megapostern an der Kandelaberbaustelle finanziert.

TU Berlin

TU Berlin

Station 7: Wissenschaft und Technik: Garten der TU (Ruine der Arkaden der ehemaligen Borsigwerke) Fasanenstraße 1, Eingang D

7.1 TU

Die Technische Universität Berlin gehört zu den größten Hochschulen Deutschlands. Ihre Anfänge reichen zurück ans Ende des 19. Jahrhunderts. Damals entwickelt sich Berlin zu einer Industriemetropole. Die expandierenden Unternehmen brauchen nicht nur Arbeitskräfte zur Herstellung von Eisenbahnen, Telegraphen und Gaslampen, sondern auch schlaue Köpfe für die Entwicklung neuer Technologien. 1879 schließen sich die „Berliner Bauakademie“ und die „Königliche Gewerbeakademie“ zur „Königlich Technischen Hochschule zu Berlin“ zusammen. Dafür ist ein Hochschulneubau notwendig. Für das Gebäude entsteht in der eigenständigen Stadt Charlottenburg sogar ein eigenes Fernheizwerk. Als 1920 Charlottenburg ein Teil von Groß-Berlin wird, ändert sich der Name der Bildungsanstalt. Fortan heißt es schlicht: Technische Hochschule zu Berlin. In den 1930er-Jahren richtet sich das Vorlesungsverzeichnis vermehrt auf militärisch relevante Lehrveranstaltungen aus. Im Regime der Nationalsozialisten gründet sich 1936 eine „Wehrtechnische Fakultät“. Der NS-Staat fördert Forschungsaktivitäten zu beispielsweise Rüstung, Militär und Autarkie. Nach Kriegsende sind die Gebäude der Hochschule weitestgehend zerstört. Doch nicht nur die Gebäude müssen neu aufgebaut werden. 1946 gründen die Alliierten die neue Technische Universität Berlin. Im Sinne einer universalen Bildung sind die Geisteswissenschaften fortan integraler Bestandteil der technik- und forschungsorientierten Universität. Eine humanistische Ausbildung soll verhindern, dass Studierende der Ingenieur- und Technikwissenschaften erneut für den militaristischen Missbrauch ihrer Disziplinen empfänglich sind. In den 1960er- und 1970er-Jahren ist die TU Berlin häufig Ausgangspunkt für Aktivitäten der damaligen Studentenbewegung. Über die Jahre entstehen weitere Standorte der TU Berlin fernab der Straße des 17. Juni. Dazu gehören der ehemalige AEG Standort Humboldthain in Berlin-Wedding, der EUREF Campus am Gasometer in Berlin-Schöneberg und der Campus in Berlin-Dahlem. Auch interessant: der Garten der TU Berlin.

242. Kiezspaziergang Garten der TU - Rest Borsigwerke

Garten der TU - Rest Borsigwerke

Station 7.2: Garten der TU

Ein Garten für die praxisorientierte Lehre: Was für eine Revolution an den Universitäten um 1900. In einem kleinen Garten der TU Berlin, hinter dem Hauptgebäude, können Studierende seit mehr als 100 Jahren drei Relikte der Berliner Stadtgeschichte unter die Lupe nehmen. Da ist zum einen die Ruine einer ehemaligen Bogenhalle. Diese ist zwischen 1860 und 1887 der Eingangsbereich zu den Borsig-Werken an der Chausseestraße. Die Bogenhalle soll den Blick auf den Hof versperren, damit Passanten sich nicht vom Anblick der unfeinen Arbeiterschaft gestört fühlen. Nach dem Abriss der gesamten Fabrik 1887 wird ein Teil der Bogenhalle 1901 im Garten der Technischen Hochschule Berlin aufgestellt. Ein weiteres Relikt in diesem Garten der TU Berlin ist ein dorisches Säulenpaar. Es stammt von den 1907 abgerissenen Steuerhäusern an der nahe gelegenen Charlottenburger Brücke. Das dritte Relikt ist hier eine ionische Säule, die einst im Eingangsportal des Schinkel-Doms von 1821 am Lustgarten stand. Die Hohenzollern lassen den Dom 1893 für den Neubau abreißen, weil der kleine Dom für sie zu bescheiden wirkt. Hinter der Bogen-Halle liegen zum anderen Schienen und Teile einer Signalanlage für Züge. Dieses historische Versuchsstellwerk dient als Eisenbahnlehranlage für das Fachgebiet Bahnbetrieb und Infrastruktur der TU Berlin.

Wir laufen nun zurück zum Charlottenburger Tor. Dort gehen wir durch das Tor und treffen uns auf der anderen Seite vor der ehemaligen Versuchsanstalt für Wasser- und Schiffbau.

242. Kiezspaziergang ehem Versuchsanstalt Wasserbau Schiffbau

ehem Versuchsanstalt Wasserbau und Schiffbau

Station 8: Ehemalige Versuchsanstalt für Wasser- und Schiffbau

Schon von Weitem sticht die „Rosa Röhre” am nördlichen Rand des Tiergartens mit ihrer schrillen Farbkombination und der futuristischen Architektur im Pop-Art-Stil ins Auge. Der Umlauftank 2 wurde in den 1970er-Jahren als Erweiterung der Versuchsanstalt für Wasser- und Schiffbau auf der Schleuseninsel gebaut und ist bis heute der größte seiner Art weltweit. Die Geschichte der Insel als Forschungsstätte begann jedoch bereits 1903, als sich dort die neu gegründete Königliche Versuchsanstalt für Wasser- und Schiffbau ansiedelte. Ein Industriedenkmal in Pink und Blau. Selbst im bunten Berlin fällt der futuristische Umlauftank 2 der ehemaligen Versuchsanstalt für Wasser- und Schiffbau auf. Seit 1974 durchdringt das 120 Meter lange pinkfarbene Umlaufrohr die blaue Laborhalle. Im Rohrkreislauf befindet sich eine Turbine, die den Wasserstrom in das Laborgebäude lenkt. In diesem weltweit größten Umlauftank werden bis zu neun Meter lange Schiffsmodelle der Strömung ausgesetzt und verschiedene Versuche durchgeführt. Heute ist die Versuchsanstalt mit dem Umlauftank 2 eine Zentraleinrichtung der TU Berlin. Internationale Fachleute forschen hier im Bereich der Nautik.
Architekt Ludwig Leo schafft mit seiner „Rosa Röhre“ 1974 bewusst einen Kontrast zur größenwahnsinnigen Architektur der Nationalsozialisten. Sein Bau in Pop-Art-Architektur erweitert die historische Versuchsanstalt für Wasser- und Schiffbau. Was die wenigsten wissen: Die Geschichte der Experimentieranstalt beginnt bereits unter Kaiser Wilhelm II. 1903 eröffnet die Königliche Versuchsanstalt für Wasser- und Schiffbau auf der kleinen Schleuseninsel. Auf Initiative des marinebegeisterten Kaisers testen Forscher in einer langen Strömungsrinne verschiedene Schiffsformen und -antriebe für damals neue Kriegsschiffe. Damit beeinflussen sie die Schiffstechnik Anfang des 20. Jahrhunderts weltweit.

Es geht jetzt zur letzten Station: wir gehen über die Straße des 17. Juni. Wir nutzen den Durchgang zwischen Ernst-Reuter-Haus und Novotel Hotel auf der linken Seite und treffen uns bei KPM.

242. Kiezspaziergang KPM

KPM

Station 9: KPM Königliche Porzellan-Manufaktur (Wegelystraße)

Martina Hacker, Geschäftsführerin der KPM, erzählt uns nun mehr.

Damit beenden wir den Kiezspaziergang hier. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen noch ein schönes Wochenende. Den nächsten Kiezspaziergang führt dann durch die Gedenkregion Charlottenburg-Nord. Treffpunkt ist um 14 Uhr an der Gedenkkirche Maria Regina Martyrum, Heckerdamm 230.

  • 242. Kiezspaziergang

    Bezirksstadtrat Arne Herz

  • 242. Kiezspaziergang - Martina Hacker - KPM

    l.: Martina Hacker - KPM, r.: Bezirksstadtrat Arne Herz

  • 242. Kiezspaziergang - Bei KPM

    Bei KPM