222. Kiezspaziergang am 17. Juli 2021 mit Bezirksbürgermeister Naumann

Treffpunkt: Toeplerstraße 1 / Sühne-Christi-Kirche

Herzlich willkommen zu unserem 222. Kiezspaziergang! Ich freue mich sehr, dass wir uns endlich wieder zu einem Kiezspaziergang zusammenfinden können, bei dem wir uns auch sehen können. Aus Gründen der Planung, mussten wir ihn ausnahmsweise einmal auf den dritten Samstag im Monat verlegen. Im August wollen wir gemeinsam rund um den Kudamm flanieren. Dieser 223. Kiezspaziergang findet dann aber wieder wie traditionell üblich am zweiten Samstag des Monats, also am 14. August statt. Treffpunkt: Adenauerplatz.
Heute führt unser Spaziergang durch den Volkspark Jungfernheide, und zwar wird der Leiter der Unteren Naturschutzbehörde, Dr. Heink, uns auf einige naturkundliche Highlights im Park aufmerksam machen, an denen wir sonst meist ahnungslos vorbeigehen. Ich begrüße ganz herzlich Herrn Dr. Heink in unserer Runde. Guten Tag!

Die Sühne-Christi-Kirche

Die Sühne-Christi-Kirche mit Glockenturm

Station 1: Sühne-Christi-Kirche

An der Ecke Halemweg und Toeplerstraße baute Hansrudolf Plarre 1962 bis 1964 die evangelische Sühne-Christi-Kirche. Er war als Gewinner aus einem Architekturwettbewerb hervorgegangen. Der Name der Kirche bezieht sich auf die Gedenkstätte Plötzensee, die auf der anderen Seite des Kurt-Schumacher-Damms liegt. Das Kirchenschiff hat einen sechseckigen Grundriss und dreieckige Anbauten für Eingang und Sakristei. Der Glockenturm ist freistehend. Die Außenwände des Mauerwerksbaus sind weiß geschlämmt. Unterhalb der Dachtraufe liegt ein umlaufendes Fensterband. Die Kirche gehört zur evangelischen Kirchengemeinde Charlottenburg-Nord.
Die Gedenkmauer, die auf dem Vorplatz zwischen Kirche und Gemeindehaus beginnt und sich im Vorraum zur Kirche fortsetzt, wurde von Florian Breuer gestaltet. Auf den Betonblöcken steht mit Metallstiften, die an Nägel erinnern: Golgatha im Vorraum und im Außenbereich Plötzensee, Auschwitz, Hiroshima, Mauern. Davor liegt eine Platte mit der Inschrift: Horch, das Blut deines Bruders schreit zu dir. Die Sühne-Christi-Kirche ist Teil des „Pfads der Erinnerung“, der hier im Charlottenburger Norden zum Gedenken an viele Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer angelegt worden ist. Entlang des Weges wurden nun zehn Stelen aufgestellt, die voraussichtlich im September eingeweiht werden.
Während wir nun weiter auf dem Halemweg zur Erwin-von-Witzleben-Grundschule gehen, sehen wir den Abriss der ehemaligen Poelchau-Schule. Auf dem Grundstück wird das Oberstufenzentrum Sozialwesen (Anna-Freud-Schule) anschließend neu errichtet.

Erwin-von-Witzleben-Grundschule

Die Erwin-von-Witzleben-Grundschule

Station 2: Erwin-von-Witzleben-Grundschule

Die Erwin-von-Witzleben-Grundschule befindet sich in einem von 1959 bis 1961 errichteten Stahlbetonskelettbau. Dieser Bau besteht aus drei zweigeschossigen Klassentrakten, die von einem gebogenen Längstrakt miteinander verbunden werden. Die weiß gerahmten Fensterbänder betonen die Horizontale. Die fensterlosen Stirnseiten sind mit graugelben Ziegeln belegt. 2009/2010 wurde ein Erweiterungsbau errichtet. Nun ist der nächste Erweiterungsbau in der Planung, denn inzwischen besuchen ungefähr 450 Schüler und Schülerinnen die sportbetonte Grundschule. Auch ich war hier einmal Schüler, wie auch der Bezirksbürgermeister außer Dienst Andreas Statzkowski.
Die Erwin-von-Witzleben-Grundschule ist eine sportbetonte Schule mit einem breit angelegten Sportangebot. Neben diesem Angebot wird hier die Unterrichtszeit einmal am Tag für eine Viertelstunde unterbrochen, in der die Schüler und Schülerinnen mit ihren Lehrern Laufen gehen. Das soll die Konzentration im Unterricht fördern.
Die Schule ist nach dem Generalfeldmarschall Erwin von Witzleben benannt. Erwin von Witzleben wurde 1881 geboren. Er nahm am Ersten Weltkrieg teil und stellte sich nach der Machtübernahme des nationalsozialistischen Regimes schon ab 1934 gegen das nationalsozialistische Regime. Zu seinen Ehren wurde am Schuleingang 2001 eine Gedenktafel enthüllt. Darauf steht:

“Diese Schule wurde 1961 eröffnet und benannt nach
Erwin von Witzleben
4.12.1881-8.8.1944
Generalfeldmarschall
seit 1934 in Opposition zu den Nationalsozialisten
plant 1938 zur Verhinderung des Kriegs die Absetzung Hitlers
1942 aus dem aktiven Militärdienst entlassen
in den Plänen des Widerstands für den 20. Juli 1944 vorgesehen als Oberbefehlshaber der Wehrmacht
nach dem gescheiterten Attentat verhaftet am 8. August 1944 in Berlin-Plötzensee hingerichtet.”

Wir gehen jetzt weiter in den Volkspark Jungfernheide.

Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann am Eingang zum Park

Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann am Eingang zum Park

Station 3: Eingang zum Park und Familienoase Heckerdamm

Im Zweiten Weltkrieg wurden der Park und einzelne Baulichkeiten stark beschädigt. Zwei Häuser am Eingang wurden zerstört. Und von den zwei 1925 von Hermann Pagels geschaffenen Bären hier war einer seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges verschollen. 2010 wurde ein Teilstück wiederentdeckt. Der Bildhauer Vincenz Repnik schuf aus einem elf Tonnen schweren Muschelkalkblock ein Ersatzdenkmal. Mitte der 80er-Jahre wurden nach historischem Vorbild neue Eingänge am Heckerdamm und an der Westseite des Parks geschaffen. Mit der Aufstellung des zweiten Bären 2011 war die klassische Eingangssituation mit beiden Bären wiederhergestellt.
2017 wurde in der ehemaligen Revierunterkunft für unser Gartenbauamt das Familienzentrum Heckerdamm eröffnet. Es ist eines der ersten Einrichtungen, die im Rahmen des Städteumbau West und des bezirklichen integrierten Stadtentwicklungskonzepts um -und ausgebaut wurden. Das Familienzentrum ist sowohl Bildungs- als auch Beratungseinrichtung. Es wendet sich an Schwangere und Familien mit Kindern von 0 bis 6 Jahren. Träger ist der Stadtteilverein Tiergarten e.V., ein Träger der nachhaltigen, sozialen Stadtentwicklung. Der besondere Schwerpunkt liegt auf der Verzahnung von Pädagogik und Gesundheit. Dadurch gibt es ein vielseitiges Angebotsspektrum mit Information und Beratung, offenen Treffen und Selbsthilfegruppen sowie speziellen Kursen der frühen Hilfen. Ganz besonders werden Familien in schwierigen Lebenslagen, z.B. mit geringen finanziellen Ressourcen, Fluchterfahrungen und gesundheitlichen Einschränkungen, angesprochen.

Der Wasserturm im Jungfernheide-Park

Wasserturm mit Café im Volkspark Jungfernheide

Station 4: Geschichte des Volksparks Jungfernheide

Kommen wir zur Geschichte des Parks.
Der Volkspark Jungfernheide war bis 1800 ein königliches Jagdrevier, nach 1824 wurde das Areal zum Exerzier- und Schießplatz.
Der Name hat damit aber natürlich nichts zu tun. Er stammt noch aus dem Mittelalter, denn 1239 gründeten die Markgrafen Otto III. und Johann I ein Benedikterinnenkloster in Spandau. Die „Jungfern“ verewigten sich nicht nur im Namen des Parks, sondern auch in der Nonnendammallee.
1904 kaufte die Stadt Charlottenburg Teile der Jungfernheide für die Anlage eines großen städtischen Parks, was wegen der hohen Kosten immer wieder hinausgezögert wurde. Dann machte der Erste Weltkrieg einen Strich durch die Rechnung. 1920 wurde die Stadt Charlottenburg nach Groß-Berlin eingemeindet, und die für 1920 von der Stadt Charlottenburg bereitgestellten 10 Millionen Mark wurden erst einmal gesperrt. Im Nachgang zum Krieg und dem Versailler Vertrag gab es eine große Wirtschaftskrise. Die Arbeitslosigkeit war hoch. Schließlich wurde der Park ab 1921 im Rahmen eines Notstandsprogramms zur Eindämmung der Arbeitslosigkeit realisiert.
Der Entwurf des Parks wurde vom Charlottenburger Gartenbaudirektor Erwin Barth erarbeitet. Auf 112 Hektar legte Barth einen axial ausgerichteten Landschaftspark an. Er ließ dabei den Bestand an Bäumen und Sträuchern weitgehend unangetastet. Im zentralen Bereich entstand zwischen dem künstlichen Teich eine Spiel- und Sportwiese. Diese gehört mit dem Teich und Wasserturm zur Hauptachse des Parks. An ihrem östlichen Ende befand sich früher der Haupteingang. Am 27. Mai 1923 wurden der Park und die Badeanlagen zu den Spiel- und Sportwochen im Bezirk eröffnet.
Der große Teich erhält über den Nonnengrabenkanal ständig frischen Zufluss aus dem Spandauer Schifffahrtskanal und gibt sein Wasser an die tiefer gelegene Spree ab. Das Becken wurde künstlich geschaffen, der westliche Teil dient als Freibad, im östlichen Teil ist das Baden eigentlich verboten.
Der 38 Meter hohe Wasserturm ist ein expressionistischer Klinkerbau und wurde 1927 von Walter Helmcke entworfen. Auch er wurde im Zweiten Weltkrieg beschädigt und erst in den 1980er-Jahren wieder restauriert. Eine Restaurierung ist nun erneut erforderlich und mit Kosten von circa 2,5 Millionen Euro geplant. Früher befand sich im Sockel eine Gaststätte.

Der Hochseilgarten im Jungfernheide-Park

Der Hochseilgarten im Jungfernheide-Park

Bei der Anlage des Waldhochseilgartens wurde 2012 ein Café im Turm eröffnet.
Der Kletterpark ist mittlerweile seit 11 Jahren fester Bestandteil der Jungfernheide. Er bietet nicht nur Familen ein tolles Ausflugsziel.
1925 gestaltete Barth einen Ehrenhain für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Niederdeutschen, dies sind heute die Norddeutschen. Dieser fiel allerdings nach dem Zweiten Weltkrieg der Verbreiterung des Kurt-Schumacher-Damms zum Opfer. Auch der Haupteingang wurde zerstört.

Station 5: Volkspark Jungfernheide / Park-Kita

Wir stehen hier vor einem besonders schönen Ort für Kinder. Am 13. August vergangenen Jahres hat hier die Park-Kita mit dem Namen „Erlebniswald“ eröffnet. Früher war hier ein Freizeit- und Feriengelände der Jugendförderung. Dort konnten seit Mitte der 50er-Jahre 500 Kinder ihre Sommerferien verbringen.
Die neue Kita ist ein wichtiges neues Angebot für Charlottenburg-Nord. Damit wird der Kiez weiter aufgewertet. 110 Kinder im Alter zwischen 0 und 6 Jahren haben hier einen Ort zum Spielen und Lernen. Es gibt vier Gruppenhäuser. Die Grundrisse der Kita sind bewusst offen gestaltet und ermöglichen eine flexible Nutzung der Flächen, was ein wesentliches Element dieses Konzeptes ist. Alle Häuser sind aus Holz und werden mit Geothermie beheizt. Durch ihre Verschalung mit Lärchenholz fügen sie sich, wie Sie sehen, gut in die Waldlandschaft ein. Die Häuser sind in verschiedenen Farben gestaltet, so können die Kinder ihr Haus leichter finden. Eine Besonderheit sind Sitznischen und Leseecken. Zudem hat die Künstlerin Birgit Cauer HausSteine gestaltet. Zwei große Findlinge aus Thüster Kalkstein hat sie im Innern mit ungefähr einem halben Meter großen Löchern ausgehöhlt. Sie sind organisch geformt und glattgeschliffen. Dort können die Kinder herumklettern und -rutschen, aber sich auch verstecken. Außen gibt es Sitzflächen. Wir sind sehr glücklich über diese wunderschöne Kita für diesen Kiez, so kommen auch Kinder aus nicht ganz so begünstigten Familien zu einem tollen Ort.

Station 6: Streichelzoo

2013 wurde das seit 1920 bestehende Tiergehege mit zwei Weißhirschen, Rehen und Wildschweinen wegen der hohen Kosten aufgegeben. Durch neue Auflagen zur Haltung von Tieren waren die Kosten auf rund 100.000 Euro jährlich gestiegen. Dafür wurde 2015 die „Erlebniswelt Tier und Natur“, vom Träger der gemeinnützigen Gesellschaft für Arbeit, Bildung und Wohnen (abw) eröffnet. Das neue Kleintiergehege mit Ziegen, Kaninchen, Meerschweinchen und Hühnern ist seither ein beliebtes Ausflugsziel für Familien.

Die Gustav-Böß-Freilichtbühne

Die Gustav-Böß-Freilichtbühne

Station 7: Gustav-Böß-Freilichtbühne

Der Volkspark Jungfernheide wurde von Erwin Barth entworfen. Dazu gleich mehr. Nach der Parkeröffnung 1923 entwarf Barth auch dieses Freilufttheater. Es wurde nach dem Oberbürgermeister von Berlin Gustav Böß benannt. Er war Initiator der Stiftung Park, Spiel und Sport, durch die die Anlage des Jungfernheideparks finanziert werden konnte. Barth legte das Theater nach dem Vorbild des antiken Theaters in Ephesos an. Es stellte seiner Meinung nach die geeignetste Form dar, um eine Vielzahl von Zuschauern aufzunehmen. So hatte das Gartentheater ursprünglich für etwa 2000 Personen Platz. Hier wurden Theaterspiele und Volkstänze aufgeführt; Sportveranstaltungen abgehalten sowie Reitübungen und Boxkämpfe gezeigt. Sämtliche Baulichkeiten der Anlage, wie Kassenhaus, Unterkunftshalle und Umkleidekabinen wurden von Barth entworfen und in Holz ausgeführt. Geschnittene Hainbuchen- und Taxushecken sowie Birkenplanzungen rahmten den Zuschauerraum ein und trugen mit dem anschließenden dichten Erlenwald zu einer ausgezeichneten Akustik bei. Im Krieg wurde das Gartentheater vollständig zerstört. Ab 1950/51 begann man mit dem Wiederaufbau; jedoch abweichend von den alten Plänen wurden die Gebäude in veränderter Gestalt und Malerei ausgeführt. Kassengebäude und Umkleideräume wurden 1951 errichtet.
Seit Mai 2004 gibt es hier wieder Gastronomie: Den Kulturbiergarten Jungfernheide. Das Familienunternehmen startete mit etwa 30-40 unüberdachten Plätzen im Außenbereich, inzwischen gibt es hier bis zu 350 Plätze, die teilweise überdacht sind, und bis zu 120 Plätze im beheizten Wintergarten.
Die Freilichtbühne kann derzeit nur temporär bespielt werden, da sie erst für 1,5 Millionen Euro saniert werden muss. 2020 gab hier erneut das Gefängnistheater aufBruch KUNST mit dem „Sommernachtstraum“ ein Gastspiel. Bot dichtes Grün die Kulisse für Shakespeares, so war im Juni diesen Jahren das alte Amphitheater eine Bühne für „Till Eulenspiegel“.

Und hier endet unser Kiezspaziergang. Unser nächster Kiezspaziergang findet, wie zu Beginn schon erwähnt am Samstag, 14. August, um 14 Uhr statt. Wir werden den Treffpunkt noch rechtzeitig über die Presse und über unsere Internetkanäle bekanntgeben. Ich wünsche Ihnen noch ein schönes Wochenende und freue mich auf ein Wiedersehen beim nächsten Mal!