Rede der Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen am 5.5.2011 zur Eröffnung des Jubiläumsjahres "125 Jahre Kurfürstendamm"

Rede der Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen

Am 5.5.2011 auf dem Breitscheidplatz zur Eröffnung des Jubiläumsjahres "125 Jahre Kurfürstendamm"

Sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister Wowereit!
Sehr geehrte Damen und Herren!

Gibt es eine andere Straße in Deutschland, von der man sagen kann, dass sie jeder kennt? Aber obwohl ihn jeder kennt, ist der Ku’damm immer wieder für Überraschungen gut – oder wussten Sie, dass er zwar heute 125 Jahre alt wird, obwohl er eigentlich ein paar Hundert Jahre älter ist? Und dass sein Name exakt seine ursprüngliche Aufgabe beschreibt? Schon im 16. Jahrhundert wurde nämlich ein Damm für die Kurfürsten angelegt, damit sie bequem vom Berliner Schloss zum Jagdschloss Grunewald reiten konnten.
Aber erst 1883 begann auf Initiative des Reichskanzlers Fürst Bismarck der Ausbau zu einer 54 Meter breiten Straße. Mit dem Abschluss der Pflasterung und der Eröffnung der Dampfstraßenbahn vom Bahnhof Zoo nach Grunewald am 5.5.1886 beginnt die Geschichte des Kurfürstendammes als Boulevard und damit die Geschichte der City West. Und deshalb feiern wir heute den 125. Geburtstag unseres Boulevards, obwohl er keine Geburtsurkunde hat.
Und wie es sich gehört, feiern wir den Geburtstag direkt auf der Straße. Wir haben uns soeben in den Vitrinen vom Adenauerplatz bis hierher zum Breitscheidplatz 125 Geschichten aus 125 Jahren angeschaut, und diese Open-Air-Ausstellung wird bis zum Ende der Jubiläumsfeiern im Oktober hier auf dem Kurfürstendamm zu sehen sein.
Und wir eröffnen hier die Schaustelle, in der wir in die Zukunft des Boulevards schauen können, denn das einzig Beständige am Kurfürstendamm ist der ständige Wandel. Ein Boulevard muss immer up to date sein, und deshalb muss er sich immer wieder verändern und seiner Zeit anpassen, wenn er sich treu bleiben will.
Viele weitere Veranstaltungen wird es in diesem Jahr bis in den Oktober hinein geben. Sie werden uns die Vielfalt des Kurfürstendammes vor Augen führen und immer von neuem überraschen.
In der veröffentlichten Meinung hat der Kurfürstendamm ein ständiges Auf und Ab erlebt. In der Weimarer Republik verkörperte er die Goldenen Zwanziger wie kein anderer Ort in Deutschland, die Nationalsozialisten haben ihn gehasst. Mal wurde er zum Prachtboulevard hochstilisiert – was er nie war -, dann wurde er zur Boulettenmeile degradiert – was er auch nie war.
Dieses schwankende Bild in der Öffentlichkeit hat aber seiner gleichbleibenden Popularität bei den Menschen nie geschadet. Für Berlin-Besucher und vielleicht noch mehr für Berlin-Besucherinnen war und ist der Ku’damm-Bummel ein Muss. Die Passantenzahlen zwischen KaDeWe und Kranzler waren und sind fast immer die höchsten in Berlin.
Entscheidend für diesen Erfolg war von Anfang an die Mischung zwischen Wohnen, Arbeiten, Kaufen, Genießen, Sehen und Gesehen Werden, zwischen Kommerz und Kultur. Deshalb sehen wir als Bezirksamt unsere Aufgabe darin, diese Mischung zu erhalten. Am Kurfürstendamm wird tatsächlich auch noch gewohnt, und zwar nicht schlecht. In welcher anderen weltberühmten Geschäftsstraße gibt es das noch? Ich freue mich, dass mit dem Haus Cumberland gerade wieder eine große, wunderbare Wohnanlage entsteht, und eine Reihe weiterer Wohnhäuser wurden und werden aufwändig restauriert.
Um die Geschäftswelt am Kurfürstendamm müssen wir uns nicht sorgen. Leerstand ist hier so gut wie ausgeschlossen. Vom Discounter bis zur Edelboutique gibt es hier für jeden Geldbeutel alles, was der Mensch begehrt. In den Schaufenstern und Vitrinen ist viel Spektakuläres zu sehen, und für den Einkauf gibt es keine Grenzen.
Kümmern müssen wir uns um die Kultur. Denn sie ist in den letzten Jahren ins Hintertreffen geraten. Nachdem viele Kinos am Kurfürstendamm geschlossen haben und durch Modegeschäfte ersetzt wurden, hatte es für uns oberste Priorität, den Zoo-Palast und mindestens eines der beiden Boulevardtheater im Ku’damm Karree zu erhalten. Das ist schwierig, weil der Verwertungsdruck groß ist und bei Umbauten immer die unmittelbare Rentabilität im Fordergrund steht. Aber intelligente Investoren verstehen am Ende doch: Kommerz funktioniert nur dann gut, wenn nicht nur Kommerz vorhanden ist.
Die Menschen gehen gerne bummeln und shoppen, aber sie tun das besonders gern, wenn es noch mehr zu sehen und zu erleben gibt. Deshalb ist die Mischung das Entscheidende. Alles andere lässt sich am Kurfürstendamm kaum beeinflussen. Wer hier aus nostalgischen Gefühlen heraus etwas konservieren will, der steht auf verlorenem Posten.
Für den positiven Wandel stehen derzeit viele Baustellen: das Waldorf Astoria im Zoofenster, das Zentrum am Zoo mit dem Bikinihaus hier am Breitscheidplatz, das Ku’damm-Karree, das Haus Cumberland und das Bauhaus auf dem ehemaligen Güterbahnhof Halensee, um nur die größten Bauvorhaben zu nennen. Der Kurfürstendamm ist für Investoren hoch attraktiv.
Aber er ist vor allem attraktiv für die Menschen, und zwar für Touristen und für die Berlinerinnen und Berliner gleichermaßen.
Manche nennen ihn Flaniermeile – und das ist es, was den Boulevard ausmacht: Er lädt zum Flanieren ein. Deshalb besuche ich mit meinen monatlichen Kiezspaziergängen in diesem Jahr jedes Mal den Kurfürstendamm. Seit neun Jahren treffen wir uns immer am zweiten Sonnabend eines Monats ab 14.00 Uhr, und inzwischen sind wir meist rund 300 Personen.
Am 14. Mai, um 14.00 Uhr startet meine Kollegin, Umweltstadträtin Martina Schmiedhofer, auf dem Henriettenplatz und stellt bei einem Spaziergang durch Halensee den Jubiläumsbeitrag der Gewerbegemeinschaft Quartier KuDamm-Halensee vor. Er konzentriert sich unter dem Motto “Erfahre Halensee!” besonders auf das Fahrrad, und viele Geschäfte zwischen Kurfürstendamm und Westfälischer Straße beteiligen sich.
Vorgestern habe ich im Jüdischen Gemeindehaus an der Fasanenstraße, wenige Meter vom Kurfürstendamm entfernt ein neues Buch vorgestellt: “Jüdisches Leben am Kurfürstendamm” von Sonja Miltenberger.
In diesem Buch geht es um ein ganz zentrales Thema in der Geschichte des Kurfürstendammes. Ohne den jüdischen Beitrag seit Beginn in der Kaiserzeit und dann in der Weimarer Republik wäre der Kurfürstendamm nicht zu dem weltberühmten Boulevard geworden, der er bis heute ist. Nicht zuletzt deshalb haben ihn die Nationalsozialisten abgelehnt. Für sie war er der Inbegriff alles dessen, was sie hassten: Internationale Ausstrahlung, bunte Vielfalt, kulturelle Avantgarde, geistreiche Unterhaltung, moderne Tanzmusik, futuristische Kinopaläste und leuchtende Konsumtempel. Für die Nazis war der Kurfürstendamm regelmäßig Gegenstand antisemitischer Hasstiraden und Pogrome.
Um so mehr ist es für uns heute wichtig, an diesen zentralen Teil seiner Geschichte zu erinnern.
Das, was die Nazis ablehnten und ausgrenzten, gehört für uns heute zum Besten unserer deutschen Geschichte. Das gilt ganz besonders für die Geschichte des Kurfürstendammes. Er ist wie ein besonders intensiver Spiegel unserer Geschichte.
Ich freue mich, dass es gelungen ist, in kurzer Zeit eine Ausstellung zusammen zu stellen, die während des gesamten Jubiläumszeitraums bis in den Oktober hinein in den Vitrinen direkt auf dem Kurfürstendamm mit 125 Geschichten an seine 125jährige Geschichte erinnert.
Ich freue mich auf die Schaustelle und auf viele große und kleine originelle Jubiläumsveranstaltungen in diesem Jahr.
Ich danke allen, die daran mitgewirkt haben und weiter daran mitwirken, den Geschäftsleuten, den Sponsoren, der AG City, der Kulturprojekte Berlin GmbH und allen anderen.
Happy Birthday Kurfürstendamm!